Eine Studie von ARGUS Stadt und Verkehr (Hamburg) in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE (Kassel) zeigt, dass die Einrichtung und der Betrieb von E-Ladeinfrastruktur auf zahlreichen halböffentlichen Parkplätzen absehbar wirtschaftlich ist – und welche das sind, und unter welchen Bedingungen. Die Studie wurde im Auftrag der WIRO Wohnen in Rostock Wohnungsgesellschaft mbH erstellt und vom BMVI gefördert.

Untersucht wurden mehr als 300 kleine und große Parkplätze auf Flurstücken der WIRO, für die einerseits die Nachfrage nach Ladeinfrastruktur und andererseits das potenzielle Angebot für lokal erzeugten Solarstrom berechnet wurde. Die Standorte sind über das gesamte Stadtgebiet verteilt und liegen in unterschiedlichen Nachbarschaften. Betrachtet wurde, ob eine unproblematische Verbindung zu Solaranlagen auf umliegenden Dächern hergestellt werden könnte, und in welchem Umfang und für welche Nutzer ein wirtschaftlicher Betrieb der Ladeinfrastruktur möglich wäre. Damit ergeben sich fundierte Aussagen zur Wirtschaftlichkeit von Standorten mit unterschiedlich vielen Normal- oder Schnellladepunkten, privat fest vermietet oder halböffentlich, mit Zukauf von Netzstrom oder Zwischenspeicherung von Solarstrom, sollte dieser zwischenzeitlich im Überschuss anfallen.

 

Erzeugt seit fünf Jahren Strom: Fassaden-PV-Anlage an einem WIRO-Wohnhaus in der Joliot-Curie-Allee im Rostocker Stadtteil Toitenwinkel. Fotograf. WIRO/Jens Scholz

Faktor Netzstrompreis

Im Allgemeinen haben die Berechnungen zur Kombination von E-Ladeinfrastruktur mit Solaranlagen gezeigt, unter welchen Umständen dies vorteilhaft ist: bei niedrigen Ladeleistungen und/oder wenn eine potenziell erhöhte Nachfrage zur Mittagszeit durch eine halböffentliche Nutzung der Ladeinfrastruktur besteht; vor allem aber bei steigenden Strompreisen. Einen hohen ökonomischen Mehrwert bieten Photovoltaikanlagen bei abnehmender Marge zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis des Ladestroms. Diese Situation kann sich beispielsweise durch steigende Strompreise oder zunehmenden Konkurrenzdruck anderer Ladeinfrastruktur-Anbieter ergeben. Beispielsweise zeigen die Wirtschaftlichkeitsanalysen bei einer Reduktion der Marge um 5 ct/kWh bis zu 100 % höhere Gewinne durch die PV-Integration bei den betrachteten Standorten.

Angebot und Nachfrage auf Adressebene

Grundlage der Studie ist einerseits eine differenzierte Analyse des Nachfragepotentials für E-Ladeinfrastruktur auf Ebene der einzelnen Gebäude und Adressen. Hierfür wurden detaillierte Geobasisdaten, die Mobilitätsbefragung „Verkehr in Städten“ im Auftrag der Stadt Rostock und zahlreiche weitere Datenquellen ausgewertet und zusammengeführt.

Die Datenbasis ist vergleichbar mit der Datenbasis kommunaler Verkehrsnachfragemodelle. Damit ließ sich nicht nur eine stichhaltige Abschätzung zur Nachfrage nach motorisierter Mobilität für die gesamte Stadt Rostock aufbauen, sondern auch eine Darstellung der Verteilung der Nachfrage über den Verlauf eines gewöhnlichen Werktages in 1-Stunden-Intervallen. Zentrale Kenngröße der Nachfrage sind hierbei die gefahrenen Pkw-Kilometer, die mit Hilfe des Anteils von E-Pkw und deren Verbrauchskennwerte in notwendigen Fahrstrom in Kilowattstunden umgerechnet werd en können.

 

Standort-Steckbriefe mit Lageplan (li.), Standort Datenblätter (re.); Hintergrundkarte: Openstreetmap-Mitwirkende 2023

Standort-Steckbriefe mit Lageplan (li.), Standort Datenblätter (re.); Hintergrundkarte: Openstreetmap-Mitwirkende 2023

Variable Eingangsparameter im Standort-Tool

Zu den zentralen Eingangsparametern gehört eine Trendfortschreibung der Daten des Kraftfahrtbundesamts. Diese lassen in Verbindung mit der absehbaren Entwicklung des ökonomischen Umfelds (CO2-Preise, Treibhausgasminderungsquoten etc.) für die mittelfristige Perspektive Anteile der E-Pkw von 25% erwarten. Hybridfahrzeuge wurden nicht berücksichtigt. Der potenziellen Nachfrage gegenüber wurde das Angebot an Strom aus Photovoltaik anhand der von der WIRO bereits installierten Solaranlagen und der Dachflächen ermittelt. Eine Besonderheit dieser Analyse ist, dass wesentliche Eingangsgrößen wie die Strompreise, der Umfang der installierten Ladeinfrastruktur und Kosten der Solaranlagen für alle Standorte nachträglich angepasst werden können, um bei Bedarf eine aktualisierte Bewertung zu erhalten.

Mikrosimulation des Fraunhofer IEE

Während die Betrachtung für alle der über 300 Standorte mit jährlichen Durchschnittswerten arbeitet, wurden in einem vertiefenden Teil der Studie insgesamt 4 Standorte einer sehr viel genaueren Analyse und Modellierung durch das Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik unterzogen. Dabei wurden für jeden der vier vertiefend betrachteten Standorte zeitschrittbasierte Simulationen durchgeführt, die auf der Ebene von 15-Minuten-Intervallen den Stromertrag von Solaranlagen einerseits und konkrete Ladevorgänge andererseits darstellen und dabei den Einfluss des Wochentags, der Jahreszeiten, der Feiertage und der Schulferien berücksichtigen. Das ermöglicht u.a. den Einfluss der Ladeleistungen und Nutzungsmuster auf den PV-Eigenverbrauch und die Auslastung der Ladepunkte zu bestimmen. Beide Faktoren sind für die Wirtschaftlichkeitsbewertung von hoher Relevanz. Des Weiteren können die Vorteile von Energie-Management-Systemen zur Steigerung des Eigenverbrauchs und zur Reduktion von Lastspitzen untersucht und optimale Dimensionierungen der Speicher und PV-Anlagen durchgeführt werden.

Preisfindungsmodelle

Neben der detaillierten Analyse der vier exemplarischen Standorte mit individuellen Empfehlungen zum weiteren Vorgehen ergaben sich aus der mikroskopischen Simulation auch praxisnahe Handreichungen zur Preisfindung für die exklusive Vermietung von Wallboxen und Ladestrom an privaten und halböffentlichen Ladepunkten.

Weiterführende Links

Projektbeteiligte:

Auftraggeber:
WIRO Wohnen in Rostock Wohnungsgesellschaft mbH
Wohnungswirtschaft / Energie und Umwelt
Lange Straße 38
18055 Rostock
https://www.wiro.de/

Auftragnehmer:
ARGUS Stadt und Verkehr PmbB
Pinnasberg 45
20359 Hamburg
https://www.argus-hh.de/

Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE
Joseph-Beuys-Straße 8
34117 Kassel
https://www.iee.fraunhofer.de/

Förderung:
Förderrichtlinie Elektromobilität vom 14. Dezember 2020
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur